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Legenden aus der Mapuche-Welt

5. Die Legende des Ñanculahuen-Krauts - Ehefrau Pilmaiquen rettet Ehemann Loncopan und wird selbst gelähmt

Das
                        Ñanculahuen-Kraut
Das Ñanculahuen-Kraut [1]
Ein junger Adler
                        (ñancu)
Ein junger Adler (ñancu)

Ein Häuptling war schwer krank und konnte nur mit dem Ñanculahuen-Kraut geheilt werden. Der Adler brachte es, aber wollte etwas dafür haben.

übersetzt und präsentiert von Michael Palomino (2011)

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aus: María Espósito: Mapuche-Legenden (Maputsche; orig.: Leyendas Mapuches); in: Mapuche-Spanisch-Wörterbuch; mythologische Personen; indigene Themen aus Patagonien; ursprüngliche Namen; Legenden (orig.: Diccionario Mapuche mapuche-español / español-mapuche; personajes de la mitología; toponimia indígena de la Patagonia; nombres propios del pueblo mapuche; leyendas); Editorial Guadal S.A., 2003; ISBN 987-1134-51-7


Zusammenfassung: Der Häuptling Loncopan wurde krank und war wie gelähmt, und seine Frau, Pilmaiquen, besorgte ihm das Ñanculahuen-Kraut (ein Bergkraut) vom Adler (ñancu). Aber die Bedingung war, dass Pilmaiquen gelähmt würde, und am Ende wurde Loncopan geheilt und Pilmaiquen verlor jegliche Bewegungsfähigkeit, so sehr liebte sie Loncopan.

<Der grosse Häuptling Loncopan war krank geworden. Der gesamte Stamm war in grosser Sorge vor der schrecklichen Krankheit, die ihnen eventuell ihren Führer rauben würde. Die Kraft und Schlauheit seines schönen und kräftigen Körpers war verschwunden. Er lag nur noch bewegungslos in seinem grossen Feldbett und konnte sich nicht mehr bewegen. Alle Heilungsversuche waren vergebens gewesen: Weder die Heilmittel noch ein Zukunftsfest Nguillatun, bei dem sie (S.259) den Weltenschöpfer Nguenechen angerufen hatten, zeigten irgendwelche Effekte gegen die bösartige Krankheit.

Loncopan wurde von seinen Untergebenen bewundert und respektiert. Nicht nur seine Tapferkeit und Geschicklichkeit bei der Jagd und im Krieg, sondern auch seine Güte, sein Wissen und seine Gerechtigkeit, wie er den Stamm regierte, hatten ihm diesen Respekt ein eingebracht. Aber nun konnte man nichts mehr tun. Es blieb allein der Weg zu einer machi (Schamanin), die zwischen den Zypressen und Lärchen des dichten Waldes lebte.

Die machi (Schamanin) trat in die Ruka ein und sah neben Loncopan zur rechten Seite eine schöne Frau. Das war Pilmaiquen, die Ehefrau des Kranken. Sie hatte die Augen voller Tränen und war verzweifelt. Sie hatte auch schon Nguenechen angerufen, dass er ihr das Leben nehme statt seines.

Die machi begann nun ihren Ritus mit Beschwörungen. Zwischen Krämpfen, Schreien und grotesken Bewegungen rief sie in der Aufregung:

"Ñancu... Ñanculahuen".
(Weisser Adler... Bergkraut Ñanculahuen, S.260)

Die Anwesenden erschauerten. Pilmaiquen quälte ein Schrei in ihrer Brust. Das Ñanculahuen ist ein Kraut, das auf den Berggipfeln wächst. Ausserdem ist es eifersüchtig vom jungen, weissen Adler (ñancu) bewacht. Nun sollte jemand das Kraut holen, aber damit waren grosse Gefahren verbunden. Trotzdem rief die mutige Ehefrau, ohne auch nur einen Moment zu zögern:

"Ich werde dorthin gehen und das Ñanculahuen finden."

Sie näherte sich dem Bett ihres Mannes und versprach ihm:

"Ich bringe dir das Kraut. In drei Tagen bin ich wieder hier."

Es nützte nichts, sie von der Sinnlosigkeit dieses Abenteuers überzeugen zu wollen. Pilmaiquen brach auf, mit einem klaren Ziel: die Berge. Alle blieben wie angewurzelt stehen, als die machi (Schamanin) ihnen bekanntgab: "Sie ist gegangen, das Ñanculahuen-Kraut zu holen."

Pilmaiquen begegnete auf ihrem Weg nur den Tieren. Das ist der einzige Weg, in die Schneeberge vorzudringen. Der kalte Wind schlug ihr ins Gesicht. Dei Steine und die scharfen Spitzen fügten ihren Füssen Wunden zu. Aber nichts war stärker als die unendliche Liebe, die sie für ihren Mann fühlte. Dies gab ihr Mut und erlaubte ihr, alle Leiden mit etwas Freude auszuhalten.

Ihr Essen auf dem Weg waren die Pinienkerne der pehuén (Araukarie, Andentanne [web01]), und in den Nächten (S.260) schlief sie unter verkümmerten Lengas (Lenga-Südbuche [web02]), die hoch oben standen. Am zweiten Tag kam sie ins Gebiet des ñancu (junger, weisser Adler), dort wo das Kraut wuchs, das ihren geliebten Mann heilen sollte. Ermüdet setzte sie sich auf einen Stein um auszuruhen. Auf einmal erblickten ihre Augen einen weissen Vogel, der sich auf einen nahen Stein neben ihr setzte. Der Ñancu hatte einen durchdringenden Blick, und rief mit schreiender Stimme:

"Was suchst du hier?"

"Mein Mann liegt im Sterben", antwortete Pilmaiquen. "Gib mir das Kraut, das ihn heilt! Ich gebe dir mein leben dafür."

Der Ñancu akzeptierte dieses Opfer und antwortete:

"Durch die Liebe, die du für deinen Mann empfindest, akzeptiere ich dieses Opfer. Ich werde dir das Kraut geben, das du brauchst, aber wenn dein Ehemann halb gesund geworden ist, wirst du gelähmt sein und er wird sprechen. Nur noch deine Augen werden gesund bleiben, so dass du dein Werk betrachten kannst, und du wird die am meisten geliebte Ehefrau der ganzen Welt sein."

Der junge Adler flog fort, und nach einer Weile kam er wieder mit dem Heilkraut in den Krallen. Pilmaiquen weinte vor Freude.

Am dritten Tag nach ihrem Aufbruch kam Pilmaiquen mit dem heiligen Kraut in ihren Händen zurück, unter den erstaunten Blicken des gesamten restlichen Stamms. Sofort wurde die Heillösung mit dem Wunderkraut vorbereitet und sie begannen, die Wunden des Mannes zu waschen, und die Heilung begann, so dass er sich langsam wieder bewegen konnte. Zur selben Zeit verlor sie immer mehr ihre Bewegungsfähigkeit und ihre Sprache. Als Loncopan gesund dastand, fragte er nach seiner Frau. Er fand sie nahe beim Wald.

"Wieso bist du da?" fragte er. Aber sie konnte nicht mehr sprechen, sondern Pilmaiquen brach in ein Weinen aus. Der Häuptling war verängstigt und konsultierte die machi (Schamanin).

"Deine Frau wird nie mehr sprechen und sich nie mehr bewegen können. Dies ist das, was deine Heilung gekostet hat."

In diesem Moment begriff Loncopan, wie sehr ihn Pilmaiquen liebte.>
(S.261)

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Quellen
[web01] http://es.wikipedia.org/wiki/Pehuen; http://en.wikipedia.org/wiki/Araucaria_araucana; http://de.wikipedia.org/wiki/Chilenische_Araukarie
[web02] lat. Nothofagus pumilio; http://es.wikipedia.org/wiki/Nothofagus_pumilio; http://de.wikipedia.org/wiki/Lenga-Südbuche

Fotoquellen
[1] Ñanculahuen-Kraut: http://hierbasancestrales.escribirte.com.ar/6796/el-nanculahuen-/-1-parte.htm
[2] Ñancu, junger, weisser Adler: http://www.flickr.com/photos/tomas_rivas/page4/



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