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Encyclopaedia Judaica

Juden in Venezuela

Auswanderungswellen aus Portugal, Osteuropa, Zentraleuropa - Einschränkungen und rassistisch-zionistische Institutionen nach 1945
Encyclopaedia Judaica
                (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 92, Synagoge in
                Caracas
Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 92, Synagoge in Caracas

aus: Venezuela; In: Encyclopaedia Judaica 1971, Band. 16

präsentiert von Michael Palomino (2008)

Übersetzung von Michael Palomino (2012)

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[Curacao als jüdisches Zentrum - jüdische Einwanderung von Portugal]

VENEZUELA, südamerikanische Republik.

Für die Anwesenheit von Crypto-Juden in Venezuela während der Kolonialzeit sind keine Nachweise vorhanden. Es kann angenommen werden, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Nähe zu den organisierten, jüdischen Gemeinden in den holländischen Kolonien - speziell *Curacao - wirtschaftliche Beziehungen mit Venezuela bewirkte.

Simon Bolivar, Venezuelas Befreier, fand während des Unabhängigkeitskrieges des Landes im Hause von Juden in Curacao Zuflucht und Unterstützung.

Die Bindungen zwischen Juden auf den nahegelegenen Inseln - speziell die holländischen Kolonien - und Venezuela wurden Anfang des 19. Jahrhunderts stetig besser, als Venezuela die Verfassungen von 1819 und 1821 verabschiedet hatte und so die Religionsfreiheit festgesetzt wurde. Die erste jüdische Familie siedelte in Coro vermutlich im Jahre 1820. Einige Jahre später wurde in dieser Stadt ein jüdischer Friedhof eingerichtet, der heute noch den wenigen jüdischen Familien dient, die dort leben. Der älteste Grabstein datiert von 1832, und wegen seiner historischen Bedeutung wurde der Friedhof im Jahre 1971 zum nationalen Denkmal erklärt.

In den 1840er Jahren hatten sich Juden bereits in vielen venezolanischen Städten niedergelassen und dies brachte die Einrichtung weiterer jüdischer Friedhöfe mit sich: in Caracas, Barcelona sowie in Puerto Cabello. Im Jahre 1855 wurden die Juden von Coro von Nachbarn angegriffen und beraubt. Die holländischen Behörden intervenierten energisch zugunsten der Verteidigung der Juden und verlangten auch eine Entschädigung für ihre materiellen Verluste.

Das Gemeindeleben der Juden portugiesischer Herkunft, die meist von Curacao aus eingewandert waren, war nur sehr lose geknüpft. Im Jahre 1864 bemerkte einer von ihnen die Tatsache, dass es keinen permanenten Gebetsplatz in Venezuela gäbe. Trotz gegenteiliger Hoffnungen und den Aktivitäten von Rabbinern aus Curacao passten sich diese Juden im Verlaufe des 19. Jahrhunderts an und gingen in der angestammten Bevölkerung an [[bzw. wurden "christianisiert"]].

Der Zerfall des religiösen Lebens der Gemeinden auf Curacao einerseits, und das Fehlen einer gleichbleibenden Religionstoleranz in Venezuela andererseits werden als Gründe für die jüdische Assimilation betrachtet.

Im Jahre 1891 wurde die sozial-literarische Organisation "Armonía" [[Harmonie]] eingerichtet, und unter ihren aktiven Teilnehmern waren die Dichter Elías David Curiel und Salomón López Fonseca. Aber die "holländische" Schicht des venezolanischen Judentums verschwand und es blieben allein die Familiennamen übrig wie Curiel, Capriles, Fonseca, etc., die unter nichtjüdischen Venezolanern verbreitet sind (Kol. 90).

[1890-1945: Jüdische Einwanderung von Nordafrika, von Osteuropa und von Zentraleuropa]

Mit der Ankunft von Juden aus Nordafrika um den Jahrhundertwechsel zum 20. Jahrhundert begann die langsame Entwicklung der zeitgenössischen jüdischen Gemeinde. Im Jahre 1891 wurden in Venezuela 247 Juden gezählt; im Jahre 1917 war die Anzahl gemäss einer Schätzung auf 475 angewachsen. Die nationale Zählung von 1926 datierte 882 Juden, aber da waren auch Juden unter den 62.328 Personen, die die Angabe der Religion nicht angegeben hatten.

Obwohl sich im Jahre 1926 auch osteuropäische Juden - speziell aus Bessarabien - im Lande aufhielten, so hinderten doch die politischen und insbesondere die wirtschaftlichen Bedingungen die Einwanderung vieler Juden während dieser Zeit.

Die jüdische Einwanderung aus Osteuropa wuchs dann während des zweiten Viertels des 20. Jahrhundert an - und nach 1934 erhöhte sich die Einwanderung wiederum durch die Einwanderung von Zentraleuropa aus. Aber nun hatte Venezuela Einreisebeschränkungen gegen die jüdische Einwanderung erlassen.

[[Möglicherweise sind Juden auch unter anderen, nationalen Quoten und unter anderer Religionsangabe eingewandert. Dies ist aber nicht erwähnt]].

Bis 1943 wurde die Ankunft von ungefähr 600 deutschen Juden registriert, und nach dem Krieg erreichten weitere paar Hundert das Land.

Encyclopaedia Judaica
                  (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 91, jüdischer
                  Friedhof in Coro
Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 91, jüdischer Friedhof in Coro

[Einschränkungen nach 1945 - Taufscheine - Einwanderungswellen nach 1958]

Im Oktober 1950 wurde die jüdische Bevölkerung auf 5000-6000 Personen geschätzt. Aber das Wachstum wurde durch Verbote und Einschränkungen behindert, die deswegen erlassen wurden, weil die Juden nicht fähig oder unwillig waren, sich zu assimilieren. Diese Einschränkungen blieben bis Ende der 1950er Jahre in Kraft, konnten die Einwanderung jener Juden aber nicht verhindern, die einen Taufschein vorweisen konnten.

Während der Jahre 1957-59 und speziell nach dem Fall der Diktatur von Perez Jimenez im Jahre 1958 wurde die Einwanderung von ungefähr 1000 Juden aus Ägypten, Ungarn und dem [[rassistisch-zionistischen]] Israel zugelassen. Eine unbekannte, wohl hohe Anzahl Juden wanderte auch von anderen lateinamerikanischen Ländern her ein. Während der letzten paar Jahre wurde die Einwanderung dann wieder eingeschränkt.

Im Jahre 1970 betrug die jüdische Bevölkerung ungefähr 15.000. Die Mehrheit davon lebte in der Hauptstadt. Über die Hälfte der venezolanischen Juden lebt in Caracas; die restlichen Juden leben vor allem in Maracaibo, in Valencia und in Maracay. Das Land ist dabei auf den Import vieler Konsumgüter angewiesen, auch Lebensmittel. Infolgedessen hat Venezuela fruchtbaren Boden angeboten, um Handelsunternehmungen und industrielle Betriebe zu errichten. Viele osteuropäische Juden, die als Hausierer angefangen haben, haben sich nun im Einzelhandel und im Grosshandel etabliert, während viele Deutsche, Nordafrikaner und einige Osteuropäer sich in verschiedenen Industriebranchen konzentrieren.

Mitglieder der zweiten Generation all dieser Gruppen haben die Universität abgeschlossen - einige in den Verunreinigten Staaten - und üben ihre freien Berufe aus. Die wirtschaftliche Lage der venezolanischen Juden hat sich wesentlich verbessert, und die Gemeinde geniesst die Blüte. Die Mehrheit der Juden gehört der Mittel- und der Oberschicht an.
Encyclopaedia Judaica
                  (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 90, Karte von
                  Venezuela mit den jüdischen Gemeinden von 1969:
                  Maracaibo, Valencia, Maracay und Caracas.
Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 90, Karte von Venezuela mit den
jüdischen Gemeinden von 1969: Maracaibo, Valencia, Maracay und Caracas.


Jüdische Organisationen.

[Sefardische und aschkenasische Gemeinden]: Die älteste, jüdische Organisation in Caracas wurde im Jahre 1920 von sefardischen Nordafrikanern und anderen gegründet - und ist heute als "Asociación Israelita de Venezuela" [[Israelitenvereinigung von Venezuela]] bekannt. Die Vereinigung, die ungefähr 800 Familien umfasst, unterhält eine Synagoge und zwei Rabbiner. Die aschkenasische Gemeinde in (Kol. 91)

Caracas ist in drei Gruppen aufgeteilt. Die grösste Gruppe umfasst ungefähr 1300 Familien und heisst "Unión Israelita" [[Israelitische Union]]. Sie unterhält eine Synagoge, ein Rabbinat, ein Sozialzentrum und eine Bibliothek. Die anderen beiden Gruppen sind die orthodoxe "Shmorei Shabbat" und das ultraorthodoxe "Rabinato de Venezuela" [[Rabbinat von Venezuela]].

[Rassistische Zionisten]: Nach mehreren, kurzlebigen Versuchen in den 1920er und 1930er Jahren wurde im Jahre 1953 die Zionistische Vereinigung in Caracas eingerichtet. Sie verfügt - zusätzlich zu den [[rassistisch]]-zionistischen Parteien - den "Jüdischen Nationalfond" sowie "Keren Hayesod" - WIZO, Maccabi und [[rassistisch]]-zionistische Jugendgruppen. in den Jahren 1954 und 1956 wurden in Caracas und in Bolivar auch zwei [[rassistisch-zionistische]] Logen der B'nai B'rith gegründet.

[Die Vereinigung]: Die sefardischen und aschkenasischen Gemeinden, zusammen mit der [[rassistisch]]-zionistischen Vereinigung und der [[rassistisch-zionistischen]] B'nai B'rith, sind in der "Federación de Associaciones Israelitas de Venezuela" zusammengeschlossen [[Vereinigte Israelitische Vereinigungen Venezuelas]], eine Dachorganisation, die mit dem [[rassistisch-zionistischen]] Jüdischen Weltkongress (World Jewish Congress) in Verbindung steht. Die Vereinigung wurde im Jahre 1965 eingerichtet, um jüdische Gemeinden gegen Antisemitismus zu verteidigen, der damals bedrohlich war.

[Maracaibo]: Maracaibo, dessen jüdische Bevölkerung im Jahre 1959 auf 700 geschätzt wurde, hat eine organisierte Gemeinde, die eine Schule und eine [[rassistisch-zionistische]] B'nai B'rith-Loge gegründet hat.

[Rassistisch-zionistische Schulen]: Im Jahre 1947 richtete die aschkenasische Vereinigung "Unión Israelita" [[Israelitische Union]] von Caracas das "Colegio Moral y Luces" ein [[Schule zur Moral und zum Licht]], sowie die "Gesamtschule Herzl-Bialik". 1955 waren 550 Schüler eingeschrieben, deren Anzahl bis 1970 auf 1800 stieg. Die Schule betreut die Kinder vom Kindergarten bis zur Hochschule und verfügt über ein grosses Gebäude. Die Schüler werden mit Bussen aus allen Ecken der Stadt hertransportiert.

Beide - die aschkenasischen und die sefardischen Gemeinden - sind aktiv in Schulangelegenheiten engagiert, und die der hohe akademische Standards der Institution zieht auch nichtjüdische Schüler an, die 7 bis 10% der Gesamtzahl Schüler ausmachen. Im Jahre 1971 kam ein Teil der Schule unter die Aufsicht der kürzlich gegründeten Organisation "Hebraica", bei der beide Teile - aschkenasische wie sefardische Gemeinden - teilnehmen. Ein kürzlich gekauftes Gebäude, in einem grossen Park gelegen, garantiert die Möglichkeit einer weiteren Vergrösserung.

In der Gesamtschule, die von der jüdischen Gemeinde in Maracaibo unterhalten wird - bekannt als "Bilu" - waren im Jahre 1959 ungefähr 120 Schüler eingeschrieben.

Obwohl die grosse Mehrheit der jüdischen Kinder in Venezuela jüdische Erziehungsinstitutionen besucht, so hat sich das jüdische Kulturleben weder spezialisiert noch entsprangen aus der Gemeinde irgendwelche Schriftsteller, die über jüdische Themen berichten. Auf dem Gebiet des Journalismus wurden sporadisch einige Zeitungen in Jiddisch und Spanisch herausgegeben, wie auch einige interne Organe von Institutionen.

Politischer Status und Bindungen zum [rassistisch-zionistischen Freimaurer-CIA-Herzl]-Israel

Trotz einiger sporadischer, antisemitischer Ausbrüche wie in den Jahren 1964 und 1965, und trotz der offenen, diskriminierenden Einwanderungsgesetze, ist Antisemitismus nicht weit verbreitet. Sogar während der Zeit der Diktatur, in der meisten Zeit des 20. Jahrhunderts vorherrschte (Kol. 92)

ist die jüdische Gemeinde nicht zum Fokus von Unterdrückung geworden. Aber trotzdem sind Juden nur wenig in der Politik engagiert, und nur wenige von ihnen sind in der öffentlichen Verwaltung zu finden. Venezolanische Juden haben starke Bindungen zum [[rassistisch-zionistischen]] Israel unterhalten , und viele haben dieses Land sogar besucht. Die Anzahl Freiwilliger aus Venezuela nach dem *Sechstagekrieg war hoch und der finanzielle Beitrag der Gemeinde für jüdische Angelegenheiten war substantiell.

Seit dem 29. November 1947, als Venezuela in der UN für die Einrichtung eines jüdischen Staates stimmte, sind die Bindungen der beiden Länder enger geworden. Diplomatische Beziehungen basieren auf Botschafterstatus; die Botschaft von Venezuela liegt in Jerusalem. Gegenseitige Besuche der Aussenminister und älterer Regierungsvertreter, wie auch die Zusammenarbeit in professionellen Projekten mit Spezialisierungstechniken sowie in Sachen Landwirtschaftsentwicklung sind Ausdruck der guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Das "Instituto Cultural Venezolano-Israeli" [[Venezolanisch-israelische Kulturinstitut]] in Caracas wird von einer intellektuellen Klasse geführt, die dem [[rassistisch-zionistischen]] Israel wohlgesinnt ist.

[[mit Rassismus gegen Muslime und Araber]].


Bibliographie
-- J. Beller: Jews in Latin America (1969), 68-80
-- J. Shatzky: Yidishe Yishuvim in Latayn-Amerike (1952), 125-8;
-- A. Monk and J. Isaacson (eds.): Comunidades Judías de Latinoamerica (1970), 141-5; 245-7.

[SH.ER.]> (Kol. 93)
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Quellen

Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela,
                          Band 16, Kol. 90
Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 90
Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela,
                          Band 16, Kol. 91-92
Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 91-92




Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela,
                          Band 16, Kol. 93
Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 93



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